Carl Friedrich von Weizsäcker

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Carl Friedrich von Weizsäcker (1993)

Carl Friedrich von Weizsäcker (1912-2007)[Bearbeiten]

deutscher Physiker und Philosoph

Zitate mit Quellenangabe[Bearbeiten]

  • "Die alte Ethik der Nächstenliebe reicht aus, wenn wir sie auf die Realitäten der neuen technischen Welt anwenden; und wenn wir sie hier nicht anwenden, so ist es uns mit ihr nicht Ernst. Das revolutionärste Buch, das wir besitzen, das Neue Testament, ist nicht erschöpft." - Dankesrede zur Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels am 13. Oktober 1963 in der Frankfurter Paulskirche. pdf Seite 13
  • "Es ist nützlich, wenn wir lernen, uns über die richtigen Dinge zu wundern." - Der Aufbau der Physik, 1986
  • "Ich habe zum ersten Mal einen Physiker gesehen. Er leidet am Denken." - Große Physiker - Von Aristoteles bis Werner Heisenberg, dtv (33078), S. 269
  • "Philosophie ist die Wissenschaft, über die man nicht reden kann, ohne sie selbst zu betreiben." - Die Einheit der Natur, 1971
  • "Technik ist Mittel zu Zwecken, nicht Selbstzweck" - Der Garten des Menschlichen, Beiträge zur geschichtlichen Anthropologie 1984, S. 104
  • "Nun erschrecken gerade viele Gebildete. Sie fürchten, sie hätten das Denken um den Preis der religiösen Unmittelbarkeit zu teuer erkauft. Aber nun können wir nicht zurück. Aus dem Denken gibt es keinen ehrlichen Rückweg in einen naiven Glauben. Nach einem alten Satz trennt uns der erste Schluck aus dem Becher der Erkenntnis von Gott, aber auf dem Grunde des Bechers wartet Gott auf den, der ihn sucht. Wenn es so ist, dann gibt es einen Weg des Denkens, der vorwärts zu religiösen Wahrheiten führt, und nur diesen Weg zu suchen ist lohnend. Wenn es nicht so ist, wird unsere Welt auf die Religion ihre Hoffnungen vergeblich setzen." - Die Geschichte der Natur (1948), S. 152. Eine frühere Quelle für diesen "alten Satz" liess sich nicht ermitteln, vielleicht liegt eine Paraphrase von Alexander Pope, “An Essay on Criticism“ (1709) vor. Fälschlich wurde der Satz Heisenberg zugeschrieben von Ulrich Hildebrand in Ethos No. 10, Oktober 1988, S. 10.
  • "Präzision des Bewußtseins, Deutlichkeit des Denkens, ist eine der wichtigen Wirkungen der intellektuellen Selbstbeherrschung; sie ist einer der moralischen Werte." - Deutlichkeit: Beiträge zu politischen und religiösen Gegenwartsfragen, Hanser, München, 1978, 1979 (ISBN 3-446-12623-6), p.103
  • "Der relativ statische Naturbegriff der Umweltschützer weist freilich eher auf den Schöpfungsglauben als auf die naturwissenschaftliche Evolutionslehre zurück." - Deutlichkeit: Beiträge zu politischen und religiösen Gegenwartsfragen, Hanser, München, 1978, 1979 (ISBN 3-446-12623-6), p.101
  • "Neben den einander ergänzenden Leitbildern der Bescheidenheit der Dienenden und der Selbstbeherrschung der Herrschenden steht in fast allen Hochkulturen das Leitbild echter Askese der Entsagenden. Diese Entsagung versteht sich im allgemeinen religiös. Medizinmann und Priester, Einsiedler und Mönch, der Fromme einer Heilssekte, jeder, der in sich und anderen eine religiöse Reinigung und Reifung sucht, braucht Übung, Askese. Er braucht insbesondere die Beherrschung der elementaren leiblichen Bedürfnisse, ihre scharfe Zügelung in Fasten und sexueller Enthaltung. Er braucht die scharfe Zügelung der gesellschaftlichen Bedürfnisse durch freiwillige Armut und durch Machtverzicht, letzteren in den religiösen Orden wie im Militär in der Form des freiwilligen Gehorsams. Einheitlich in den Grundzügen, wenngleich mit zahllosen kulturellen und individuellen Schattierungen, findet sich diese Erfahrung in allen überlieferten Kulturen." - Deutlichkeit: Beiträge zu politischen und religiösen Gegenwartsfragen, Hanser, München, 1978, 1979 (ISBN 3-446-12623-6), p.86
  • "Dem ökonomischen Liberalismus und dem planwirtschaftlichen Sozialismus gemeinsam ist das Bekenntnis zum Ethos der Freiheit und Gleichheit. Gemeinsam ist ihnen eine Ambivalenz der Resultate, die vermutlich in einem ihnen gemein- samen anthropologisch irrealen Optimismus, in der Verken- nung der sittlichen Notwendigkeit der Askese wurzelt. Beide sind zur demokratischen Askese bisher unfähig, das Marktsystem, weil es nicht asketisch, das Plansystem, weil es nicht de- mokratisch ist. Daß der Markt nicht asketisch ist, liegt auf der Hand. Daß der Plan nicht demokratisch sei, bestreiten seine Anhänger, aber faktisch erzwingen sie den Plan durch Stabilisierung der Herrschaft und demonstrieren damit — gegenüber dem Zynismus als dem moralischen Problem des Kapitalismus — die Lüge als das moralische Problem des Sozialismus." - Deutlichkeit: Beiträge zu politischen und religiösen Gegenwartsfragen, Hanser, München, 1978, 1979 (ISBN 3-446-12623-6), p.99-100
  • "Die Grenze der Vernünftigkeit der Technokratie liegt darin, daß die Rationalität der Zwecke der Rationalität der ihnen dienenden Mittel nicht gleichkommt. Die Grenze der Vernünftigkeit des Protests liegt darin, daß Protest eben an das gebunden bleibt, wogegen er protestiert." - Deutlichkeit: Beiträge zu politischen und religiösen Gegenwartsfragen, Hanser, München, 1978, 1979 (ISBN 3-446-12623-6), p.103-4
  • "Selbstbeherrschung hat aber auch eine elitäre Funktion. Sie dient in Adelsgesellschaften der Unterscheidung des Vornehmen und Unvornehmen. Edelmann und — noch mehr — Edelfrau ist nur, wer sich innerhalb der gesellschaftlich anerkannten Formen zu beherrschen vermag. Das ist nicht nur Unterscheidung durch Stilisierung. Die Regeln adligen Verhaltens sind fast durchweg so geartet, daß sie, physiologisch wie soziologisch gesehen, die Kontinuität der Adelsschicht gewährleisten. Der Adel war zunächst ein Kriegerstand. Der Krieger, wie später der Sportsmann, kann die erforderliche körperliche Überlegenheit nur durch ständiges Training aufrechterhalten. Training heißt auf griechisch askesis, Askese. Die adligen Herren waren vielleicht die ersten, welche die physiologische Wichtigkeit bestimmter Formen der Askese erkannten. Körperbau und Triebstruktur des Menschen sind, seiner Herkunft gemäß, einem Leben in Knappheit und Ge- fahr angepaßt. Einer Herrenschicht konnte nicht verborgen bleiben, wie der ökonomische Wohlstand die angeborene Vernunft der Affekte derangiert. Der Wohlstand gestattet, die Triebe der Trägheit, des Hungers, der Sexualität weit über ihre physiologische Funktion hinaus zu befriedigen, ja zahllose neue Bedürfnisse, darunter hochkulturelle, zu erzeugen. Eine Herrenschicht, welche die ihr verfügbaren Formen der Trieberfüllung voll ausnutzt, ist zum baldigen Untergang ver- urteilt. Dies zu erkennen, war darum für den Adel Vorbedingung des Überlebens. Eine Adelsschicht mußte, in diesem speziellen Sinn der Worte, nicht glücksorientiert sondern wahrheitsorientiert sein, wenn sie fortbestehen wollte." - Deutlichkeit: Beiträge zu politischen und religiösen Gegenwartsfragen, Hanser, München, 1978, 1979 (ISBN 3-446-12623-6),p.85