Diskussion:Friedrich Christoph Oetinger

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Das Gebet um Gelassenheit – The Serenity Prayer

Eine spannende Suche nach der echten Quelle ...

Wer hätte es nicht schon irgendwo gelesen, auf einer Karte geschickt oder als Trost zugesprochen bekommen: das Gebet um Gelassenheit. Meist ohne Autor genannt, manchmal Franz von Assisi zugeschrieben, häufiger aber dem Pietisten Friedrich Christoph Oetinger, kursiert es in verschiedenen Versionen durch die deutschsprachige Welt. Kaum einer weiß, dass es aus Amerika stammt und von dort seinen Siegeszug antrat. Es begann ganz harmlos. Reinhold Niebuhr, dt.-amerikanischer Theologe, schrieb das Gebet für den Gottesdienst einer kleinen Gemeinde in Massachusetts, wo er mit seiner Frau häufig die Sommerferien verbrachte. Das war entweder im Jahr 1941 oder 1942, so genau konnten sich selbst Niebuhrs nicht mehr daran erinnern. Nach diesem Gottesdienst fragte ein Freund Niebuhrs, Howard C. Robbins, der ehemalige Dekan der «Cathedral of St. John the Divine» in New York, ob er das Gebet für eine Broschüre verwenden dürfe, die er für den «Federal Council of Churches» herausgeben wollte. Ohne jemals Copyright dafür anzumelden, gab Niebuhr es seinem Freund, der es dann 1943 in einem schmalen Taschenbuch zusammen mit anderen Gebeten veröffentlichte. Nur wenig später ließ es die USO («United Service Organizations», die für die Truppenbetreuung verantwortlich war) auf kleine Kärtchen drucken und vergab es tausendfach an die Soldaten, die in den Krieg zogen. Auch die Anonymen Alkoholiker verwendeten es mit der Erlaubnis Niebuhrs für ihre Zwecke, und seitdem haben das noch viele andere Organisationen und öffentliche Personen getan. Ohne sich allerdings bewusst zu sein, wer das Gebet ursprünglich verfasst hatte. In den deutschsprachigen Raum gelangte es durch Theodor Wilhelm, Professor der Religionspädagogik in Kiel. Er hatte es 1946 als Zeichen der Nachkriegsverständigung von kanadischen Freunden mit dem Vermerk «an old little prayer – ein altes, kleines Gebet» zugesandt bekommen. Am Schluss eines Kapitels seines Buches «Wendepunkte der politischen Erziehung», das in späteren Nachauflagen den Titel «Partnerschaft» bekam, verwendete er die Übersetzung des englischen Textes. Nun hatte Wilhelm aber sein Buch nicht unter seinem eigenen Namen, sondern unter dem Pseudonym «Friedrich Oetinger» veröffentlicht, was in der Folge zu dem Missverständnis führte, Friedrich Christoph Oetinger, der württembergische Pietist, habe es verfasst. Wilhelm (gest. 2005), der selbst erst vor einiger Zeit Niebuhr als den wahren Verfasser entdeckte, kämpfte seit Jahren darum, dieses Missverständnis aufzuklären. Wenn man sich jedoch die Verbreitung des Gebetes mit seinen unterschiedlichen Versionen und Quellenangaben betrachtet, dann scheint es ein aussichtsloser Kampf gegen Windmühlen zu sein ...

vh, 12.07.2005


Quelle: http://www.wlb-stuttgart.de/referate/theologie/oetgeb00.html v.hahn@brunnen-verlag.ch