Éric Pichet

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Éric Pichet, 2013

Éric Pichet (geboren 1960) ist ein französischer Professor der Wirtschaftswissenschaften mit Spezialisierung auf Marktfinanzierung, Geldpolitik, Steuerpolitik, Corporate Governance und Governance im öffentlichen Sektor.


Haushaltspolitik[Bearbeiten]

Von den 30 kostspieligen Jahren zu den 36 kostspieligen Jahren[Bearbeiten]

Die 30 kostspieligen Jahre[Bearbeiten]

  • Dreißig Jahre laxer Haushaltspolitik (die „Trente Dispendieuses“), gekennzeichnet durch schnell ansteigende Staatsausgaben in den 1980ern, eine unbekümmerte Haltung in den 1990ern und schließlich eine Politik des Aufschiebens in den 2000er Jahren. Letztere waren durch die Entwicklung „kreativer“ Haushaltsstrategien geprägt, die ausschließlich zum Ziel hatten, den (stets) sozial und politisch unangenehmen Zeitpunkt, den Staatshaushalt auszugleichen, hinauszuzögern.


Die 36 kostspieligen Jahre[Bearbeiten]


Der französische Verantwortungs- und Solidaritätspakt 2014[Bearbeiten]

  • „Die Regierung macht einen weiteren Fehler, obgleich er dieses Mal rein ideologischer Natur ist, denn man sah den Verantwortungspakt in Verbindung mit Verträgen, welche gegenseitige Zugeständnisse von Unternehmen hervorrufen würden. Tatsächlich kann die Regierung aber nicht mit Unternehmen verhandeln, da die Entscheidungen von Führungskräften immer individuell getroffen werden. Sie sind keine Staatsbediensteten, die Anweisungen befolgen, sondern freie und klar denkende Vertreter der Wirtschaft, die ihre Entscheidungen, insbesondere im Fall von Investitionsentscheidungen und der Schaffung von Arbeitsplätzen, treffen, indem sie die Risiken auf Grundlage der Stabilität des Umfelds und eines günstigen Ausblicks für die Rentabilität ihrer Investitionen bewerten. Im Gegensatz dazu kann und muss eine effektive Regierung die angemessenen Voraussetzungen für Investitionsentscheidungen schaffen, um Wachstumsbedingungen herzustellen.“


Steuerpolitik[Bearbeiten]

Die Steuertoleranzschwelle[Bearbeiten]

  • Trotz einer relativen Kontrolle über die Ausgaben im Jahr 2013 war ein anhaltend sehr hohes öffentliches Defizit (4,3 %) hauptsächlich auf einen noch nie da gewesenen und unerwarteten Rückgang der Steuereinnahmen zurückzuführen, was die Existenz einer länderspezifischen Steuertoleranzschwelle bestätigt, die in Frankreich wahrscheinlich erreicht worden ist. Ab diesem Schwellenwert hat jede Steuererhöhung einen kontraproduktiven Effekt, da obligatorische Steuern die Wirtschaftsaktivität bremsen und das Wachstumspotenzial der Wirtschaft noch weiter schwächen.

Steuer- und Sozialausgaben[Bearbeiten]

  • In den Industrieländern ist die Besteuerung immer ein politisches Konstrukt, ein lebender Organismus, der sich aufgrund von endlosen Änderungen seitens des Gesetzgebers, der empfindlich auf die Stimmung der Öffentlichkeit und Änderungen in der sozialen Ideologie reagiert, ständig wandelt. Es handelt sich dabei um ein willkürliches Gerüst, das ohne einen Architekten errichtet wurde und dem es an Rationalität und Kohärenz fehlt, bei dem die Steuerabgaben und Sozialbeiträge – hier als Sozial- und Steuerausgaben bezeichnet – einen Überbau darstellen, der umso komplexer ist, da er auf einem Steuersystem gründet, dessen Referenznormen unzähligen Ausnahmeregelungen unterliegen.
  • In den Industrieländern agierten die sukzessiven Regierungen immer nur wie Feuerwehrleute, die Feuer löschten, und nicht wie Architekten, die neue Gebäude entwarfen. Die Steuernischen, die sie geschaffen haben, sind die emotionale Reaktion auf bestimmte Ereignisse oder ein Versuch soziale Spannungen aufgrund von verbitterten Steuerzahlern abzubauen (und/oder spiegeln ihre Macht wider). Jede rationale globale Führungspolitik muss zwei Imperativen gerecht werden: Einfachheit und Stabilität.

Strukturreformen[Bearbeiten]

Die Korsetts der französischen Wirtschaft[Bearbeiten]

  • Strukturelle Reformen und die Einhaltung der europäischen Verträge sind zwei Voraussetzungen, um die Staatsdefizite langfristig zu mindern und das Wachstumspotenzial der Wirtschaft, das mit rund 1 % viel niedriger ist als die Schätzungen der Regierung (knapp 4 %), voranzutreiben. Der Grund für das schwache (potenzielle und bereits verzeichnete) Wirtschaftswachstum in Frankreich sind die der Wirtschaft auferlegten Korsetts, welche wiederum weitere Defizite generieren, und nicht die Sparpolitik, die aufgrund der rapide nach oben schnellenden Defizite notwendig wurde, wie Anhänger der so genannten nachfrageorientierten Politik denken. Die französische Wirtschaft ist in erster Linie aufgrund ihrer öffentlichen Finanzen schwach.

Governance-Theorien für Finanzinstitute[Bearbeiten]

  • Effiziente Theorien über Finanzregulierung entstammen klaren Postulaten über die allgemeine Unveränderlichkeit der menschlichen Natur, insbesondere dann, wenn Führungskräfte von Finanzinstituten beteiligt sind (siehe die letzten Beiträge aus dem Bereich der Evolutionspsychologie). Die Wahrscheinlichkeit ist gering, dass sich dies im Laufe der nächsten Jahrzehnte ändern wird – aber es hat keinen Zweck, sich zu beklagen, denn die Gier war schon immer der mächtigste Treiber des kapitalistischen Fortschritts (und wird es immer bleiben).


Epistemologie der Sozialwissenschaften (2011)[Bearbeiten]

Éric Pichet. The Epistemology of Social Science originally L’Art de l’HDR, 2011.

  • Ein inhärentes Paradoxon der geistigen Tätigkeit ist, dass Reflexion (d. h. die Phase, in der ein Forschungsprojekt ein komplexes Problem zu behandeln versucht) sehr zeitaufwändig sein kann. Leider können Forscher erst dann wirkliche Fortschritte erzielen, wenn sie unter Handlungsdruck stehen.
    • S. 53.
  • Die Fähigkeiten, die zur Durchführung eines realen Forschungsprojekts erforderlich sind, unterscheiden sich grundlegend von den Fähigkeiten, die zum Zwecke der allgemeinverständlichen Wissenschaftsvermittlung (wie im Bildungswesen) benötigt werden. Dies liegt daran, dass neben der Fähigkeit, Probleme zu verstehen, sich klar auszudrücken und klar zu denken – die Fähigkeiten eines jeden guten Lehrers – ein sehr hohes Maß an Durchhaltevermögen und Ausdauer nötig sind und vor allem eine wissenschaftliche Herangehensweise vorhanden sein muss, die auf einem wahren Einfallsreichtum gründet.
    • S. 87.
  • Es ist eine allgemein verbreitete Vorstellung, dass das komplizierteste Objekt des gesamten Universums (neben dem Universum selbst) das menschliche Gehirn ist. Tatsächlich sind jedoch andere Objekte sogar noch komplexer – beginnend bei der menschlichen Gesellschaft, insbesondere der heutigen hypermodernen Gesellschaft, die das Ergebnis von Tausenden und sogar Milliarden von menschlichen Gehirnen ist; und nicht zuletzt die Globalisierung und das Internet.
    • S. 115.
  • Missverständnisse über die entscheidende Frage, ob Management eine wissenschaftliche Hauptdisziplin darstellt, erwachsen meiner Ansicht nach aus der Vielzahl der beteiligten Perspektiven: theoretische, normative, technische/edukative und praktische. Dies macht es Kritikern allzu leicht, praktische Empfehlungen in diesem Bereich zu verspotten; etwas, was sie allzu bereitwillig (und fälschlicherweise) mit vorgefertigten Lösungen assimilieren und dabei die erkenntnistheoretische Vision außer Acht lassen, die sämtlichen Management-Studien zugrunde liegt.
    • S. 141.

Weblinks[Bearbeiten]

Wikipedia
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Wikipedia führt einen Artikel über Éric Pichet.